Kunst in der Informationsblase - Gespräch von Larissa Kikol mit Roland Schappert KUNSTFORUM International, Bd. 254, 2018
Roland Schappert arbeitet an der Schnittstelle analoger und digitaler Medien mit Wandmalereien, Ölbildern, Zeichnungen sowie Photomontagen, Video und Beton. 2005 erhielt er zusammen mit Michael Ebmeyer den Videonale-Preis 10 im Kunstmuseum Bonn. Von 2007 bis 2010 war er Gastprofessor für Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Das Gespräch zwischen Schappert und Kikol führt von Schapperts eigenen Arbeiten, in denen oft eigenartige Schriftformen bzw. Botschaften als Bildmotive fungieren zu Fragen über Kommunikationsmechanismen in der Kunst, den sozialen Medien und in der Politik. Bedient sich Donald Trump der Strategien der Avantgarde-Künstler oder derer der Kunsthandwerker? Und was sagen Rankings, Bestsellerlisten und Likes über Werte, Werke und Bewertungen aus?
Larissa Kikol: »Herr Schappert, in Ihrem Werk spielt Schrift eine große Rolle. Viele Arbeiten bestehen sogar nur aus Wörtern und Sätzen. Glauben Sie nicht mehr an die Aussagekraft von künstlerischen Bildern?«
Roland Schappert: »Wir leben ja schon länger in einer Zeit, in der unaufhörlich behauptet wird, Schrift und Text würden immer mehr durch Bilder sowie Videos, durch gesprochene und getwitterte Worte und nun bald auch durch Virtual und Augmented Reality ersetzt. Auf der einen Seite bietet ja gerade die bildende Kunst die Möglichkeit, Schrift und Text bildlich zu inszenieren und aus der Zeit in den Raum zu verlegen. Bei vielen Wandmalereien und den neuen Simulationen der Betongravuren und Betonreliefs wie IN FREIHEIT DENKT MAN FREIHEIT ANDERS werden die Buchstaben zu Zeichen. Die Botschaft ergibt sich nicht durch plakatives ungeduldiges Erkennen. Es geht mir dabei auch nicht um eine eindeutige Message im Sinne einer politisch korrekten Aussage, sondern eher um konkrete Spannungsfelder aus Poesie (Alternativen) und Sprachkritik am Gegebenen. Roberto Simanowski äußerte sich 2017 in seinem Buch Abfall. Das alternative ABC der neuen Medien über die Freude, die es machen kann, komplexe und ich würde noch ergänzen widersprüchliche und paradoxe Gedanken zu erfassen oder selbst zu produzieren. Das sollte natürlich nicht nur Selbstzweck sein, sondern helfen, unsere komplexe Gegenwart und ihre Möglichkeiten besser zu verstehen und nicht populistisch zu vereinfachen. Auf der anderen Seite stellt sich im Zeitalter permanenter Aufmerksamkeitsökonomie die Frage: Wer hat hierzu Lust und Zeit? Simanowski bemerkt in seinem Buch: Wer geduldet sich noch, wenn etwas nicht gleich verständlich ist? Was sich nicht in 140 Zeichen packen lässt, wirkt zu komplex, zu anstrengend, um unsere Wahrnehmung zu fesseln. Kann die bildende Kunst noch etwas aufzeigen, was uns Reporter, Menschenrechtsorganisationen, Aktivisten usw. nicht bereits auf viel eindrücklichere Weise vermittelt haben?«