WIE EINDEUTIG WIRKT KUNST Roland Schappert | artist Kunstmagazin, Nr. 117, 2018
Kunst kennt kein Fragezeichen. Deshalb verzichten wir beim Titel
dieses Essays darauf. Es geht schließlich um die Perspektive der
Kunst. Ein Text, der sich mit Kunst beschäftigt, kann sich und seinen
Lesern Fragen stellen. Künstler, Betrachter, Galeristen, Sammler und
Kuratoren können sich und die Kunst befragen. Die Kunst kann das
nicht. Kunst wirkt immer als Behauptung, sie entspricht einer Haltung,
folgt einer Geste oder stellt den Rest der Welt in Frage. Aber als Kunst
stellt sie sich eben nicht selbst in Frage, solange Kunst Kunst sein will
oder kann und nicht Dekoration, Illustration, didaktisches Hilfsmittel
oder politisches Kommunikationsmittel und Wissensvermittlerin
bereits zuvor feststehenden Wissens. Fragezeichen setzt der Rest der
Welt, indem es immer wieder zu Reaktionen gegen Künstler und deren
Kunst kommt.
Sollte Kunst Stellung beziehen? Nur der Betrachter kann Stellung
beziehen. Sollte Kunst eindeutig sein? Kunst ist immer eindeutig.
Weder die Debatten um »Das offene Kunstwerk« (Umberto Eco, 1962)
noch propagandistische und populistische Kunstvereinnahmungsversuche
von welcher Seite auch immer ändern etwas an der grundsätzlichen
Situation. Entweder Kunst ist Kunst oder sie ist alles andere. Klingt
banal und ist längst bekannt. Trotzdem kommt es in letzter Zeit immer
wieder zu der fundamentalen Verwechselung des Dargestellten mit der
Darstellung, des Abgebildeten mit der Abbildung, des Vorgestellten
mit der Vorstellung, des alten Scheins mit dem digitalisierten Sein etc.